| IVY QUAINOO   „Just follow where it takes youStart up your heart on fire
 You got to run free and wild”
 (aus „Wildfires“)
 OK, sie war in einer  Casting-Show. Sie hat das Format gerockt und gewonnen. Sie hat ein Album aufgenommen, einen  Nummer-2-Hit in den deutschen Singles-Charts gelandet, war auf Tour, hat einen Echo und zwei goldene  Schallplatten für mehr als 200.000 verkaufte Alben erhalten, ist über den Catwalk der  Fashion Week gefegt und hat sich mit Ólafur Elíasson nebst Joachim
 Gauck getroffen.
 Nur: All das besitzt in  etwa die Halbwertszeit eines Eisbergs in der Karibik. Was keiner besser weiß als Ivy Quainoo, die  Dame hinter diesen Erfolgen. Ein urbanes Aschenputtel und ein echter Wolf im Schafspelz: Jung,  ehrgeizig, hungrig – aber auch immer selbstreflektierend und bescheiden. „Es wissen doch  alle, wo ich herkomme“, sagt sie. „Und selbst wenn die Aufmerksamkeit am Anfang  ganz nett war, will ich in erster Linie Musik machen - und nicht nur das Gesicht einer Castingshow  sein.“
 Ein sicheres Indiz dafür,  dass die 20jährige mit den afrikanischen Wurzeln weiß, was sie will. Schließlich ist sie tough,  stammt aus einfachen Verhältnissen (Berlin-Neukölln) und verfügt über eine Wahnsinnsstimme sowie  gigantisches musikalisches Talent.
 Fähigkeiten, die sie auf  ihrem ersten Werk, das nur zwei Wochen nach ihrem Finalsieg produziert wurde, nur begrenzt  ausleben konnte. Da war sie in erster Linie das Medium - aber nicht wirklich sie selbst, die  Singer-Songwriterin. „Mein Ziel ist es, frei zu sein und an meiner eigenen  Musik zu arbeiten. Also nicht nur  Songs von anderen Autoren vorgelegt zu bekommen, sondern damöglichst viel von mir  einzubringen. Es ist mir wichtig, dass ich involviert bin, mich weiterentwickle und mache,  was ich möchte.“
 In diese autarke Rolle  schlüpft sie mit ihrem zweiten Album, dessen Name Programm ist. Denn „ Wildfires“ ist der Klang  gewordene Beweis, dass es sich keineswegs um eine Eintagsfliege, sondern um ein  musikalisches Lauffeuer, einen richtigen Flächenbrand handelt. Eben eine Kollektion von 13  Songs, an denen Ivy als Co-Autorin beteiligt ist, in die sie ihre Ideen
 und ihre Persönlichkeit  einbringt, sich selbst verwirklicht und kreativ austobt. Eine Klang gewordene Emanzipation -  von einer Künstlerin, die in sich angekommen ist. Nur, um gleichzeitig immer wieder  ihre Grenzen auszuloten.
 Denn „Wildfires“, dessen  kämpferischer Text („Light it up! Light it up!“) sich als  Headline wie Motto versteht, ist das Spiegelbild  einer musikbesessenen, experimentierfreudigen Künstlerin, die ihre Freiheit nutzt, um  alles auszuprobieren, was zu ihrer Stimme und ihren privaten Vorlieben passt: Soul, Pop, R&B,  Balladen, aber auch Dancehall. „Es musste nicht alles dieselbe Facette
 haben, sondern was für mich  persönlich gut war, ist auch auf dem Album gelandet.“ Das Ergebnis: Ein schillerndes  Kaleidoskop moderner Stilrichtungen, die sie absolut klassisch rüberbringt.
 Sei es mit akustischer  Gitarre, Harfe, starker Stimme, aber auch ambitionierten Lyrics mit hohem Identifikationspotential.  Denn wenn Ivy über Liebe und Beziehungen sinniert, dann auf ganz und gar unkitschige,  geschweige denn stereotype Weise - und aus jeder erdenklichen Perspektive bzw. mit durchaus  unkonventionellen Ansätzen und Ideen. So sind zwei Menschen auch schon
 mal derart für einander  geschaffen, dass es zu sehr „knistert“, um tatsächlich funktionieren zu können („Atomic“). Oder ihr  Aufeinandertreffen erweist sich als ein geradezu übersinnliches Erlebnis („Supernatural“).
 Wobei Ivy nicht  zwangsläufig über sich singt, nicht in die Selbsttherapie-, Bekenntnis- oder Tagebuchfalle tappt,  sondern einfach ihren Freundeskreis und ihre Umgebung reflektiert. „Ich bin 20 - so viel habe ich  noch nicht erlebt“, gesteht sie kichernd. „Aber als die Songs entstanden sind, hatten viele meiner  Freunde untereinander Zoff - und das spielt da natürlich auch mit rein.
 Ich habe versucht, mich in  verschiedene Situationen hineinzuversetzen und damit zu identifizieren."
 Wobei - das ist das Ideal -  Frauen selbstverständlich schöne, starke Wesen sind, die auch mal für ihre Gefühle in den Krieg  ziehen („Hey Caesar“), dabei selbst erfahrene männliche Gegenspieler aus dem Sattel werfen bzw.  unbiegsam und unbeugsam sind:
 „Take my life, steal my soul
 You can take everything I own
 No way I ever gonna break down
 Never gonna break down“
 (aus „No Way“).
 Starke Worte einer starken  Frau. Zudem umgesetzt mit einer vorbildlichen, zeitgemäßen, internationalen Produktion,  von der Ivy nicht vereinnahmt, sondern - im Gegenteil - beim Ausleben ihres Könnens und  ihrer Vielfalt geradezu mustergültig unterstützt wird. Mit dem Respekt, der einem  eigenständigen, internationalen Pop-Künstler zusteht.
 Denn Ivy ist nicht das  Püppchen, das sich einen Sound von der Stange überstülpen lässt - das unterstreicht sie auf „Wildfires“  vom ersten bis zum letzten Takt. Eben, in dem sie ihr Ding macht, ihren Weg geht und  ihre Vorstellungen durchsetzt.
 Was auch namhafte  Produzenten wie Jamie Hartman (Joss Stone, Jason Mraz, Christina Aguilera) oder Rob Knox von den  Underdogs (Justin Timberlake, Ciara, Leona Lewis) erkennen mussten.„ Im Grunde war es nichts  anderes, als ob ich in Berlin ins Studio gehe und mit jemandem arbeite, den ich vorher nicht kannte“,  stapelt Ivy tief. „Es ist ein relativ lockeres Verhältnis, man macht auch seine Witze, aber  ansonsten versucht man in erster Linie, mit der Musik voran zu kommen.“
 Es spricht der Profi. Und  entsprechend begeistert waren die Studiotüftler von den Fähigkeiten und der Willensstärke der  Berlinerin. Mehr noch: Sie haben sich bewusst zurückgenommen, um ja kein zu glattes,  poliertes auf Airplay getrimmtes Werk abzuliefern. Denn dafür hat Ivy zu viele Ecken und Kanten, die  einfach frisch und vital wirken. Denn dafür hat Ivy zu viele Ecken und Kanten, die einfach frisch  und vital wirken. Mit Christian Medice, einem jungen, hoffnungsvollen Klangtüftler aus Brooklyn,  hat sich Ivy eingeschlossen für die erste Single „Wildfires (Light It Up!)“, daneben haben sie  zusammen auch „Hey Ceasar“ und das große „Empty“ ins Ziel gebracht.
 Mit ihm hat Ivy ein großes  Pop-Album geschaffen, das in keine Schublade und keine Nische passt, sondern einfach nur  zeitlos und gut ist. Das nicht auf einen bestimmten Markt oder ein bestimmtes Publikum geeicht  ist, sondern internationalen Ansprüchen gerecht wird. Und Ivy in eine Reihe mit  Künstlerinnen wie Erykah Badu, India Arie, Lianne La Havas oder der  jungen
 Lauryn Hill stellt.
 „Wildfires“ ist das nächste  Kapitel einer Karriere, die nach Langlebigkeit strebt, nicht auf die berühmten „15 minutes of  fame“ (frei nach Andy Warhol) schielt, sondern echtem künstlerischen Anspruch  folgt. Sprich: Musik als Fluchtpunkt und Mission. Mit der Ivy im Januar 2014 wieder auf ausgedehnte  Tournee geht. Bislang sind elf Konzerte durch deutsche Clubs geplant - es werden mit  Sicherheit noch einige dazu kommen. Auch im Ausland, wo Ivys Durchbruch nur eine Frage der Zeit scheint.
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